Laudatio bei Mathias Meier und Katrin Brand

Es ist immer wieder eine Ehre, für befreundete KünstlerInnen eine Laudatio zu halten, zuletzt für Katrin Brand und Mathias Meier, die bis Dezember 2025 unter dem Titel “Baumgeschrei und Blütengeflüster” in der Frankenalb-Klinik in Engelthal ausstellen. Vielleicht lest ihr gerne meine Gedanken zu ihren Arbeiten.

Foto Julia Ostermeier

Laudatio zur Ausstellung „Baumgeschrei und Blütengeflüster
von Katrin Brand und Mathias Meier

Liebe Gäste,
liebe Kunstfreunde,
liebe Patientinnen und Patienten dieses Hauses,

heute begrüße ich Sie zu einer besonderen Ausstellung an einem besonderen Ort. Nicht im weißen Kubus einer Galerie oder eines Museums, sondern hier – im Bezirkskrankenhaus –, wo Kunst vielleicht genau das ist, was wir alle manchmal brauchen: eine Gelegenheit zum Atemholen. Ein Blick auf etwas, das unseren normalen Bezugsrahmen erweitert. Eine Erinnerung an das Lebendige, das uns umgibt und das wir sind.

Der Titel dieser Ausstellung: „Baumgeschrei und Blütengeflüster“ gibt einen ersten Hinweis auf die „Hauptperson“ im Schaffen von Katrin Brand und Mathias Meier: die Natur und ihre mal laute und mal leise Stimme. Die beiden Kunstschaffenden, die wir heute feiern, sind auch im Alltagsleben ein Paar und das sorgt für interessante Bezüge. Tatsächlich war eine der ersten Aktionen, die beide als Paar auf die Beine gestellt haben, eine gemeinsame Ausstellung!

Seitdem haben diese schönen Verflechtungen sich verdichtet und bieten uns hier mit ihren „Schwingungen“, ihren „Vibrationen“, ihren „Vibes“, einen Rhythmus an, auf den wir uns gerne einlassen. Es ist schon etwas besonderes, wenn sich ein Paar nicht nur quer durchs Haus zuruft: „Hast du den Müll rausgebracht?“, sondern: „Sind die Bilderrahmen für die Ausstellung schon fertig? Wie geht es in deinem Bild an der Stelle, an der du gestern ratlos warst?“.

Katrin und Mathias verbindet etwas ganz Wesentliches: die Lust am Machen, am Reden über Kunst, am Entwickeln und Verwerfen von Ideen und am Wiederaufnehmen. Diese Anmerkungen mögen euch jetzt banal vorkommen, bildzeitungsmäßige Berichterstattung vom glamourösen Künstlerpaar, aber für mich, die sich seit Beginn ihrer Laufbahn mit den Lebensläufen von Künstlerinnen durch die Jahrhunderte auseinander setzt, ist das keineswegs banal, wenn sich ein künstlerisch tätiges Paar auf Augenhöhe begegnet. Das hat Ausstrahlung und Relevanz. Und manch einer von uns Kunstschaffenden würde sich manchmal so ein fachkundiges und involviertes Gegenüber wünschen. Manchmal aber auch nicht, manchmal ist etwas noch zu zart, um angesprochen zu werden und das ist ja bei euch auch nicht anders und vollkommen ok.

Aber jetzt trotzdem zur Kunst per se: als ich euch für das Vorgespräch in eurem Garten in Vorra besucht habe, war klar: Dort zwischen hohem Gras, alten Bäumen, Vogelstimmen, Pinsel, Stechbeitel und Rakel entstehen die Werke, die Sie hier sehen. Natur ist dabei nicht nur Motiv, sie ist Inspirationsquelle, Gegenüber und Resonanzraum.

Von Mathias sehen wir Arbeiten, die oft schon in der Fläche einen dreidimensionalen Anteil haben, etwas Skulpturales und in die der Brotberuf des Schreiners immer wieder hineinschwappt.

Ich finde es richtig schön, dass er die Begeisterung für seinen Werkstoff, das Holz, nicht verloren hat, den Blick für das Gewachsene und Verwachsene und so finden sich vor allem Baumscheiben immer wieder in seinen Bildern. Als „Dreiviertel-Sonnenscheiben“, die explosiv Licht in die Leinwand schleudern oder, ganz geheimnisvoll, das in sich verzwirbelte Scheibchen Ast, das an die trägen Schlieren eines sumpfigen Gewässers erinnert.

Die Holzstücke sind mit der Energie vergangener Werkstücke und Erinnerungen aufgeladen und sorgen für Kontinuität und einen roten Faden - sowie auch die Reminiszenzen von blühenden Ästen, die sich in fein ausgestemmten Linien in Mathias´ Skulpturen stehlen. Sie sind für mich das am deutlichsten erkennbare motivische Bindeglied in der Arbeit der beiden.

Die Farbe selbst „rakelt“ er gerne auf den Malgrund. Dabei wird mit einem flachen Werkzeug die Farbe aufgetragen, verteilt, wieder abgeschabt. Unser großer deutscher Künstler Gerhard Richter nutzte diese Technik seit den 1980er Jahren intensiv, mit fast schon raumfüllenden Rakeln.

Mathias gefällt dabei, dass ein Zufallselement sich bei dieser Art des Farbauftrags gar nicht vermeiden lässt. Wir haben darüber gesprochen, welch ein delikater Tanz zwischen Eingreifen und Loslassen es für beide immer wieder ist, „in den Flow“ zu kommen, in dem man die kritischen Stimmen im Kopf beiseite schiebt und das Malen geschehen lässt - und dann wieder mit dem selbst-kritischen Blick des Aussenstehenden aufs eigene Werk zu blicken: „Ist es fertig? Was ist noch nötig? Woran sollte ich weiterarbeiten?“

Auch Katrin kennt diesen Prozess zwischen Intuition und Kontrolle; auch wenn ihre Werke in gewisser Weise gegenständlicher sind - manche ihrer Blüten lassen sich durchaus botanisch benennen. Sie malt Pflanzenportraits – aber wie jedes gute Portrait zeigen ihre Bilder wesentlich mehr als äußere Ähnlichkeit, sie sind der Versuch, etwas vom Wesen wiederzugeben. Es ist ein Lauschen auf die Energien der Vorbilder, die dann in Farbwahl und Malduktus ihren Ausdruck suchen. Mal drängt sich das Motiv auf dem Malgrund nach vorne, mal öffnet sich eine Übermalung wie ein Vorhang, um den Blick freizugeben, mal umgibt eine zarte Umrandung in einer Kontrastfarbe die stilisierte Blüte, mal tritt sie selbstbewusst wie eine Diva auf die Bühne, die die Leinwand ihr bietet. Die Farbschichten geben oft einen verschleierten Blick auf untere, vergangene Schichten frei, so wie wir Menschen auf Erinnerungen vergangener Ereignisse zurückblicken.

Katrin hat mir erzählt, dass der Frühling sie besonders inspiriert, weil in den Knospen schon die ganze Energie der ausgewachsenen Pflanze stecke. Alles ist angelegt, die ganze Information, die ganze Energie - und das bricht sich im Frühling Bahn. Dann passiert das „Baumgeschrei“  auch bei Katrin, die sonst eher für das „Blütengeflüster“ zuständig ist.

Was wir hier gar nicht so wahrnehmen können, ist Katrins Arbeit im Freien. Auf El Hierro hat sie „Land Art“ gestaltet, vergängliche werke, die mit dem nächsten Wellenschlag oder Regenguss verschwunden sein können. Im Bayerischen Bad Reichenhall hat sie die liegende Acht, das Zeichen für Unendlichkeit, so auf Baumstämme gepinselt, dass sich nur aus einem bestimmten Blickwinkel die Pinselstriche zu einem Symbol zusammenfügen. Vergänglichkeit und Unendlichkeit - und im August wurde ihr Vorschlag ausgewählt, beim Windkunstfestival „bewegter Wind“ in Nordhessen dabei zu sein. Wenn ich sie richtig verstanden habe, ist ihr Werk dort noch flüchtiger als die eben beschriebenen. Auch hier arbeiten Katrin und Mathias als Team zusammen, werfen Ideen in den Raum und prüfen sie auf Machbarkeit.

Zu guter Letzt noch einmal der Blick in diesen Raum, den diese Ausstellung, genau wie viele Ausstellungen vor ihr, verändert hat. Der Raumeindruck ist ein anderer als noch vorgestern, ich nehme diese Magie der Verwandlung immer wieder mit Staunen wahr. Aber es sind eben auch Räume, von denen ganz viel Schmerz und Verwundung existiert, Hilflosigkeit und Trauma - und im besten Falle Heilung. Zwei Aspekte dieser Ausstellung können da Steigbügelhalter sein: einmal die Natur als Protagonist der Kunst und hier ja auch sehr schön in der Umgebung.Denn sie spiegelt uns, dass es wie im menschlichen Leben Jahreszeiten gibt, Phasen der Konzentration, des Rückzugs, des Absterben und des Aufblühens.

Und die Kunst tut, was sie so gut kann, sie hebt dieses Naturerleben auf ein neues Level, weil sie schon von zwei sensiblen Kunstschaffenden gefiltert, verarbeitet und verändert präsentiert wird. Hier im Haus arbeiten seit langem Kunst-Therapeuten auf hohem Niveau, die gemeinsam mit den Menschen, die sie begleiten, Zeugnis ablegen können davon, dass beim Kunstschaffen heilsame Prozesse in Gang gesetzt werden können. Aber eben auch beim „Kunst Betrachten“, vor allem, wenn die dem Betrachter so viel Freiheit eigener Interpretation lässt wie hier.

Mathias hat, als wir uns im Vorfeld unterhalten haben, einen Halbsatz gesagt, der mir hängen geblieben ist: „und dann wird’s schön!“. Den hätte ich den beiden gestern gerne zugerufen, als sie nach vielen Stunden Hängearbeit erschöpft und etwas frustriert waren. „Und dann wird’s schön!“ Gilt für diese Ausstellung, möge gelten für alle, die sich an ihr freuen und gelte für euch beide! Danke für die Arbeit und das Engagement, das ihr hier reingesteckt habt und Danke Ihnen allen fürs Zuhören!

Lassen Sie uns jetzt gemeinsam eintauchen in das Baumgeschrei, in das Blütengeflüster. „Und dann wird’s schön!“

Vielen Dank.